Was sind Bauchwandhernien und wie entstehen sie? Die Bezeichnung Hernie leitet sich vom Griechischen Wort hernios „Knospe“ ab. Es bezeichnet eine Ausstülpung des Bauchfelles durch eine vorbestehende (angeborene) oder neu entstandene Schwachstelle bzw. Lücke in der Bauchwand. Eine Hernie wird definiert durch das Vorhandensein folgender Elemente (siehe Abbildung 1): 1. Bruchring: am Ort der Bauchwandlücke 2. Bruchsack: Ausstülpung des Bauchfelles und 3. Bruchinhalt: Vorfall von Bauchinhalt (Darmanteile, Netzanteile)Welche Arten von Hernien gibt es? Man unterscheidet zwischen äusseren (externen) und inneren (internen) Hernien, zwischen angeborenen und erworbenen Hernien. Die äusseren Hernien betreffen die Bauchwand, während die inneren Hernien im Bauchraum selbst auftreten und von aussen nicht sichtbar sind. Auf die inneren Hernien soll hier nicht näher eingegangen werden, als Beispiel sei nur die Zwerchfellhernie erwähnt, welche häufig mit der Refluxerkrankung vergesellschaftet ist. Je nach Lokalisation des Auftretens werden folgende äussere Hernien unterschieden: - Inguinalhernie (Leistenhernie, Leistenbruch) - Femoralhernie (Schenkelhernie) - Umbilikalhernie (Nabelbruch, Nabelhernie) - Epigastrische Hernie (Oberbauchbruch) - Narbenhernie (Narbenbruch, an der Stelle einer Operationsnarbe) Mit ca. 80% ist die Leistenhernie die häufigste Bauchwandhernie (Abbildung 2). Die Schenkelhernie macht ca. 10% aus, wobei sich bei der Schenkelhernie der Bruchsack unter dem Leistenband durch die Gefässlücke des Beines in den Oberschenkel ausstülpt. Je etwa 5% der Hernien machen die Nabelhernie (Abbildung 3) und die epigastrische Hernie (oberhalb des Nabels entlang der Mittellinie) aus. Häufigste Hernie der vorderen Bauchdecke ist allerdings die Narbenhernie, für die man jedoch wie der Name sagt eine Narbe braucht und welche bei ca. 15-20% der Patienten nach vorausgegangener Operation mit medianem Bauchschnitt auftritt. Inguinalhernien (Leistenbrüche) Leistenbrüche treten gehäuft im Kindesalter und beim jungen Erwachsenen sowie vor allem beim älteren Menschen auf. Im Kindesalter sind vor allem ehemalige Frühgeborene und/oder Knaben betroffen (ca. 90% der Inguinalhernien). Dies hängt mit der Wanderung des Hodens aus dem Bauchraum via Leistenkanal in den Hodensack (Skrotalfach) zusammen. Schliesst sich diese Verbindung (Processus vaginalis) nicht oder ungenügend, kommt es zum Auftreten einer angeborenen Leistenhernie. Beim Erwachsenen treten andere Ursachen in den Vordergrund. Durch unsere Evolution vom Vierfüssler hin zum aufrecht gehenden Homo sapiens lastet der gesamte Druck der Baucheingeweide nicht mehr schön verteilt auf der gesamten Bauchwand, sondern konzentriert sich auf die Leistenregion (siehe Abbildung 4). In dieser Region befindet sich ein muskelfreies Dreieck mit dem Leistenkanal. Entsteht in diesem muskelfreien Bereich eine Lücke, kann eine Leistenhernie entstehen. Dies erklärt, weshalb die Leiste und insbesondere der Leistenkanal die Prädilektionsstelle für das Auftreten von Bauchwandhernien ist (80% der Bauchwandhernien). Da mit zunehmendem Alter ausserdem das Bindegewebe schwächer wird, liegt der Häufigkeitsgipfel der Erkrankung im Erwachsenenalter bei den 50-70 Jährigen. Warum sind Männer häufiger betroffen als Frauen? Die Häufigkeit einer Leistenhernie liegt beim Mann bei ca. 2-5%, während nur 0.3-0.5% aller Frauen eine Leistenhernie entwickeln. Der Grund dafür liegt in der unterschiedlichen Anatomie von Mann und Frau. Beim Mann wandert der Hoden vor der Geburt aus dem Bauchraum in den Hodensack. Nach der Geburt befindet sich der Samenstrang im Leistenkanal und es besteht durch diesen Samenstrang weiterhin eine Verbindung zwischen Bauchraum und Hodensack. Dadurch besteht in der Leistenregion eine Schwachstelle. Bei den Frauen bleiben die Ovarien, welche das Pendant zu den Hoden bei den Männern sind, im Bauchraum. An Stelle des Samenstranges haben Frauen nur ein Band, welches durch den Leistenkanal führt. Die Schwachstelle ist somit weniger ausgeprägt. Wie äussern sich äussere Bauchwandhernien und welche Komplikationen können auftreten? Äussere Bauchwandhernien führen zu einer sichtbaren Vorwölbung der Bauchwand im Bereiche der Bruchlücke (siehe Abbildungen 2 und 3). Durch die Ausstülpung des Bauchfelles kann es zum Auftreten eines Dehnungsschmerzes kommen, welcher subjektiv als störend empfunden werden kann. Häufig sind aber Veränderungen des Bruchinhaltes die Ursache für das Auftreten von Schmerzen und Missempfinden. So kann es durch Einengung des Darmes im Bruchsack zum Auftreten einer Darmpassagestörung und somit zu einem akuten Darmverschlusses (Ileus) kommen. Noch gefährlicher ist die Einklemmung des Bruches (Inkarzeration) mit Strangulation eines Darmabschnittes im Bereiche des Bruchringes, wobei der Bruchinhalt dadurch eine Durchblutungsstörung erfährt. Ohne rechtzeitige Reposition des Bruchinhaltes führt dies zum Absterben (Nekrose) des betreffenden Darmabschnittes. Ausserdem kann es im Bereich der Darmnekrose zur Perforation mit nachfolgender Bauchfellentzündung kommen. Die Tatsache, dass über einem eingeklemmten Bruch die Sonne weder auf- noch untergehen darf, ist eine altbekannte chirurgische Regel. Entweder es gelingt die schonende Reposition oder es muss unverzüglich operiert werden. Das Risiko einer Brucheinklemmung hängt einerseits von der Grösse des Bruchringes und andererseits von der Lokalisation der Hernie ab. Kleinere Bruchlücken sind dabei gefährlicher als grosse, da sie dem Bruchinhalt weniger Platz bieten und der Darmabschnitt folglich schneller einklemmen kann. Dadurch erklärt sich die unterschiedliche Einklemmungsrate: bei Leistenhernien inkarzerieren ca. 3-8%, bei den Schenkelhernien (mit kleiner Bruchlücke) bis zu 40%. Welche Abklärungen sind notwendig und wann sollte operiert werden? Die Diagnose einer Hernie kann in den allermeisten Fällen durch die einfache klinische Untersuchung gestellt werden. Nur in Ausnahmefällen ist der Einsatz einer Ultraschalluntersuchung oder einer Computertomographie (CT) zur weiteren Abklärung sinnvoll. Ist eine Bauchwandhernie klinisch diagnostiziert, sollte sie auch operativ behandelt und versorgt werden. Die Gründe dafür sind: - die obligate Grössenzunahme der Hernie aufgrund des persistierenden Druckes (keine spontane Heilung möglich) - die Gefahr einer Einklemmung des Bruchinhaltes mit in der Folge möglicher Darmwandschädigung und –perforation Unabhängig von der Bruchform, dem Lebensalter und den Begleitkrankheiten soll jede Hernie zum baldmöglichsten Zeitpunkt operiert werden. Die Terminabsprache ist innerhalb von Wochen bis wenigen Monaten zu treffen. Inkarzerierte und strangulierte Hernien sind Notfallsituationen und müssen sofort behoben werden. Eine Heilung der Hernie durch konservative Maßnahmen gibt es nicht. Die Idee, durch Bruchbänder oder körperliche Ertüchtigung einen positiven Krankheitsverlauf oder gar eine Bruchheilung zu erwirken, ist im besten Fall nutzlos, im schlechtesten Fall riskant. Bruchbänder schwächen zusätzlich die Bauchdecke, "Bruchturnen" verstärkt sogar die Inkarzerationsgefahr. Diese früher angewendeten Prinzipien sind längst nicht mehr zeitgemäss und sollten durch operative Behandlungsmöglichkeiten abgelöst werden (siehe Abbildung 5). Geschichte der Hernienchirurgie Hernien stellen die häufigste chirurgisch behandlungspflichtige Erkrankung dar. Relativ gesehen machen sie etwa 15 Prozent der allgemeinchirurgischen Operationen aus. Es erstaunt deshalb nicht, dass im Laufe der Zeit verschiedene operative Techniken zur Behandlung von Hernien und insbesondere der Leistenhernien entwickelt wurden. Im Mittelalter waren es die sogenannten „Bruchschneider“, welche als ambulante Chirurgen durchs Land zogen und durch das Spalten des Leistenringes die Reposition des Bruchsackes ermöglichten. Ohne Anästhesie und mit unsterilen Werkzeugen waren Ihre „Erfolge“ allerdings katastrophal mit Sterberaten bis zu 50%! (Abbildung 6) Erst Ende des 19. Jahrhunderts verbesserte sich die Operationstechnik, indem man nicht nur den Bruchsack abzutragen, sondern auch die Bruchlücke zu verschliessen versuchte. Bahnbrechend war dabei die Arbeit von Eduardo Bassini, Professor der Chirurgie aus Padua, welcher die nach ihm benannte Operationstechnik 1890 in einer Publikation detailiert beschrieb und illustrierte. Von den 266 Patienten, welche er über 6 Jahre nachkontrollierte, zeigten nur gerade 3% ein Wiederauftreten des Bruches (Rezidivhernie). Kein Vergleich zu den Rezidivquoten von 60-70%, die mit den damaligen Operationsmethoden erreicht wurden. Nachdem es gelungen war, durch Naht der Leistenhinterwand deutlich bessere Operationsresultate zu erzielen, kam der Gedanke auf, den Bruchlückenverschluss mit künstlichem Material zu verstärken. So begann man zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Stoff- und Drahtnetze als Verstärkung der Leistenwand einzubringen. Es dauerte jedoch bis in die späten 50er Jahre, bis polymere Kunststoffnetze systematisch in der Hernienchirurgie zum einsatz kamen, anfangs häufig nur bei grossen, sonst kaum verschliessbaren Hernien. Lichtenstein erkannte 1986, dass durch das Einsetzen eines Kunststoffnetzes als Verstärkung der Leistenwand ein spannungsfreier Verschluss („tension-free“) der Bruchlücke möglich ist. Die Langzeitresultate dieses Verfahrens waren ausgezeichnet mit Rezidivraten um 1%, sodass die Lichtenstein-Technik bald von vielen Chirurgen übernommen wurde (Abbildung 7). Mit der Entwicklung der laparoskopischen Chirurgie in den 80er Jahren wurde es möglich, die Kunststoffnetze mit Hilfe der minimal-invasiven Technik einzubringen. Schultz tat dies 1990 transabdominell (TAPP) via Bauchspiegelung, während Ferzli 1992 die Technik der total endoskopischen extraperitonealen (TEEP) Netzplatzierung ohne Eröffnung der Bauchhöhle einführte. Heute stehen dem Chirurgen verschiedene bewährte Operationstechniken zur Behandlung der Bauchwand- und Leistenhernien zur Verfügung. Man unterscheidet einerseits die offenen Verfahren von den minimal-invasiven, sowie Verfahren mit oder ohne Verwendung von Kunststoffnetzen. Faktoren wie Alter des Patienten, Gewebezustand, Voroperationen oder Rezidiv sowie Patientenwunsch müssen in die Entscheidung einfliessen, welches Operationsverfahren sich am Besten zur Therapie der Bauchwandhernie beim einzelnen Patienten eignet. Die total endoskopische extraperitoneale Netzplazierung (TEEP) zur Behandlung von Leistenhernien Die TEEP eignet sich hervorragend zur Behandlung primärer Leistenhernien, insbesondere bei beidseitigen Hernien oder beim Vorliegen eines Rezidives nach vorausgegangener offener Operation. Für die Operation werden nur 3 kleine Hautschnitte gebraucht, durch welche man sich den für die Operation notwendigen Raum verschaffen kann (siehe Abbildungen 8-12). Vorteile der minimal-invasiven Hernienchirurgie gegenüber den offenen Verfahren sind der schonende Zugang mit kleineren Hautwunden. Dadurch treten postoperativ weniger Schmerzen auf und eine raschere Erholung ist möglich. Vorteile der netzverstärkten Operationstechniken gegenüber den alleinigen Nahttechniken ist die raschere Belastbarkeit und kürzere postoperative Schonphase bei einer sehr niedrigen Rezidivrate von ca. 1%. Was gilt es nach der Operation zu beachten? Üblicherweise beträgt der Spitalaufenthalt für eine TEEP-Operation ca. 24h. Die postoperativ verordnete Schmerzmedikation kann rasch reduziert bzw. gestoppt werden. Eine mehrwöchige (4-6 Wochen) körperliche Schonung wie sie früher noch häufig verordnet wurde, ist nicht mehr angebracht. Die Patienten dürfen postoperativ sofort nach Massgabe der Beschwerden belasten. Je nach beruflicher körperlicher Belastung beträgt die Arbeitsunfähigkeit lediglich 1-2 Wochen. Haben Sie noch Fragen? Ihre Fragen zu den Bauchwandhernien und die möglichen operativen Techniken zu deren Behebung beantworte ich gerne via E-Mail: info@holzidoc.ch
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