Die Schilddrüse ist ein wichtiges Stoffwechselorgan, welches durch die Freisetzung der Schilddrüsenhormone viele Stoffwechselprozesse des Körpers reguliert. Sowohl eine Unterfunktion als auch eine Ueberfunktion der Schilddrüse verursacht charakteristische Symptome und Krankheitsbilder. Daneben gibt es zahlreiche Schilddrüsenerkrankungen, welche mit Entzündungen, Autoimmunprozessen, Knotenbildungen und Tumormanifestationen einhergehen. Nicht immer braucht es für deren Behandlung einen chirurgischen Eingriff. Im Folgenden soll nur auf die chirurgisch relevanten Erkrankungen eingegangen werden. Anatomie und Funktion der Schilddrüse Die Schilddrüse ist ein 2-lappiges Organ, ca. 15-20 Gram schwer, welches direkt unterhalb des Adamsapfels der Luftröhre anliegt (siehe Abbildung 1). In direkter Nachbarschaft zur Schilddrüse befinden sich die 4 Nebenschilddrüsen, sowie die beiden Stimmbandnerven, welche hinter der Schilddrüse zum Kehlkopf ziehen. Im gesunden Zustand ist die Schilddrüse von aussen kaum zu sehen und nicht zu tasten. Hauptfunktion der Schilddrüse ist es, die beiden Schilddrüsenhormone T3 und T4 zu produzieren. Für die Bildung der beiden Schilddrüsenhormone braucht es Jod, welches vom Dünndarm aus der Nahrung (z.B. via jodiertes Salz) aufgenommen und zur Schilddrüse transportiert wird. Diese Schilddrüsenhormone beeinflussen zahlreiche Stoffwechselvorgänge des Körpers. Je nach Versorgung des Gesamtorganismus mit Schilddrüsenhormonen bezeichnet man die Stoffwechselsituation im Normalzustand als Euthyreose, bei gesteigerter Hormonproduktion als Hyperthyreose, und bei der Hormonmangelsituation als Hypothyreose. Eine kleine Drüse im Schädel unter dem Gehirn, die Hirnanhangsdrüse, kontrolliert die Menge der Schilddrüsenhormone im Blut. Sie sondert das Schilddrüsenstimulierende Hormon (TSH) ab. TSH veranlasst die Schilddrüse, Hormone zu bilden und ins Blut abzugeben. Vereinfacht gesagt läuft bei einer Schilddrüsenüberfunktion der Stoffwechsel „auf Hochtouren“, man ist sehr aktiv, nervös, hitzeempfindlich, nimmt Gewicht ab, hat einen schnelleren Herzschlag als gewöhnlich, schwitzt und fühlt sich zunehmend unwohl. Bei der Unterfunktion findet sich ein gegenteiliges Bild: Man ist träge, müde, kälteempfindlich, nimmt Gewicht zu und kann eine teigige Haut bekommen. Sowohl eine Überfunktion als auch eine Unterfunktion schädigen den Körper auf Dauer und müssen meist behandelt werden. Häufigkeit und Ursachen der Schilddrüsenerkrankungen Schilddrüsenerkrankungen gehören zu den häufigsten Stoffwechselerkrankungen überhaupt. Etwa 1-5% der Gesamtbevölkerung weisen eine Unter- oder Ueberfunktion der Schilddrüse auf. In ca. 20-40% lassen sich herdförmige Knotenveränderungen in der Schilddrüse nachweisen. Wichtigste Ursache für eine Kropfentstehung (Struma) ist der Jodmangel. Bei mangelnder Jodzufuhr wird die Schilddrüse zu vermehrtem Wachstum stimuliert. Früher herrschte in unseren Alpenländern häufig Jodmangel (wenig Jod im Boden, keine Meeresfische auf dem Speisezettel), sodass der Schilddrüsenkropf endemisch auftrat und zum Teil groteske Ausmasse annehmen konnte (siehe Abbildung 2). In der Schweiz wurde aus diesem Grunde seit 1922 sukzessive jodiertes Salz eingeführt, bis 1952 im ganzen Land Salz mit 3.75 mg Jod erhältlich war. Heute liegt der Jodgehalt im Salz bei 20 mg/Kg. Durch diese Jodierung des Kochsalzes wird die Bevölkerung heutzutage ausreichend mit Jod versorgt, sodass die Kropfentstehung eingedämmt werden konnte. Dennoch zeigen Ultraschalluntersuchungen, dass bei ca. 1/3 der Bevölkerung eine messbare Schilddrüsenvergrösserung besteht, welche jedoch von den meisten Patienten nicht als solche wahrgenommen wird. Bösartige Schilddrüsenerkrankungen sind glücklicherweise sehr selten. Pro Jahr und 100'000 Einwohner treten ca. 2-3 neue Fälle von bösartigen Schilddrüsentumore auf. Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hat gezeigt, dass insbesondere ionisierende Strahlen einen Risikofaktor für das Entstehen von Schilddrüsenkrebs darstellen. Durch den Reaktorunfall stieg die Häufigkeit von Schilddrüsentumoren nach der Katastrophe um das 10fache an. Welche Abklärungen sollten durchgeführt werden? Zunächst richtet sich die Erhebung der Krankengeschichte nach den typischen Symptomen einer Schilddrüsenfunktionsstörung sowie den durch eine Schilddrüsenvergrösserung verursachten subjektiven Beschwerden wie Schluckstörungen, Engegefühl im Hals, Atemstörungen. Für die Diagnose einer Schilddrüsenfunktionsstörung wird man eine TSH-Bestimmung im Blut vornehmen. Bei normalem TSH-Wert kann eine Funktionsstörung der Schilddrüse praktisch ausgeschlossen werden. Um Organveränderungen (Vergrösserung, Knoten, Zysten etc.) nachzuweisen, wird man eine Ultraschalluntersuchung des Halses durchführen (siehe Abbildung 3). Dadurch lässt sich in den meisten Fällen bereits eine eindeutige Diagnose der Schilddrüsenerkrankung stellen. Bei im Ultraschall nachgewiesenen tumorverdächtigen Knoten kann mit Hilfe der Szintigraphie weiter abgeklärt werden. Die hyperaktiven Knoten, die das radioaktiv markierte Jod aufnehmen und auf dem Bildschirm aufleuchten, werden "heiße" Knoten genannt (Abbildung 4). Wird das Jod nicht aufgenommen, spricht man von "kalten" Knoten. Da kalte Knoten verdächtig sind für das Vorliegen eines bösartigen Schilddrüsentumors, sollte zur weiteren Abklärung eines „kalten“ Knotens eine Ultraschall-gesteuerte Feinnadelpunktion mit anschliessender mikroskopischer Untersuchung des Gewebes durchgeführt werden. Welche Therapiemöglichkeiten gibt es? Die verschiedenen Therapiemöglichkeiten und –alternativen richten sich nach der zugrunde liegenden Schilddrüsenerkrankung. Bei einer Schilddrüsenunterfunktion wird man medikamentös behandeln, während bei einer Knotenstruma die operative Therapie zum Tragen kommen sollte. Im Folgenden soll kurz auf die unterschiedlichen Therapieansätze eingegangen werden. Wann sollte operiert werden? Ziel der Schilddrüsenoperation ist es, kein erkranktes Schilddrüsengewebe zurückzulassen. Folgende Befunde sprechen für eine operative Behandlung des Schilddrüsenleidens: · Grosse Struma (> 60 ml) · Lokale Beschwerden · Malignitätsverdacht („Kalter Knoten“) · Kompressionserscheinungen · „junger“ Patient · Rezidivhyperthyreose nach medikamentöser Therapie bei Morbus Basedow Welche alternativen Therapiemöglichkeiten gibt es? Bei Schilddrüsenfunktionsstörungen stehen verschiedene Therapiemöglichkeiten zur Verfügung. Bei Schilddrüsenerkrankungen (autoimmun, nach abgelaufenen Entzündungen), welche in einer Unterfunktion (Hypothyreose) enden, wird man die fehlenden Schilddrüsenhormone durch Medikamente ersetzen. Bei Schilddrüsenerkrankungen (Morbus Basedow, funktionelle Autonomie), welche zu einer Ueberfunktion (Hyperthyreose) führen, kann je nach Situation medikamentös, mittels Strahlentherapie mit Radiojod, oder operativ behandelt werden. Es würde den Rahmen dieses Beitrages sprengen, auf die einzelnen Therapiemöglichkeiten im Speziellen einzugehen. Nach genauer Abklärung und Diagnose wird in der Regel in Zusammenarbeit mit einem Facharzt für Endokrinologie das weitere patientenbezogene Vorgehen und die durchzuführende Therapie bestimmt. Die Schilddrüsenoperation Voraussetzungen für die Durchführung einer Schilddrüsenoperation sind eine normale Stoffwechsellage (Euthyreose) der Schilddrüse sowie eine vollständige präoperative Abklärung, welche eine Ultraschalluntersuchung und eine Ueberprüfung der Stimmbandfunktion (Laryngoskopie), sowie je nach Ausgangslage eine Szintigraphie oder Feinnadelpunktion der Schilddrüse beinhaltet. Ziel der Operation muss es sein, das erkrankte Schilddrüsengewebe vollständig zu entfernen. Bei einseitigem Befund wird man eine einseitige Schilddrüsenlappenentfernung (Hemithyreoidektomie) vornehmen. Sind beide Lappen krankhaft verändert, empfiehlt sich meist die totale Entfernung der Schilddrüse (Totale Thyreoidektomie), um der Entwicklung eines Rezidives vorzubeugen und eine Re-Operation zu verhindern, da diese technisch viel schwieriger durchzuführen ist als die primäre Operation und ein höheres Risiko für eine schwerwiegende Komplikation, wie z.B. eine Lähmung des Stimmbandnerves aufweist. Bei Schilddrüsentumoren wird auch das die Schilddrüse umgebende Fett- und Bindegewebe mit den darin enthaltenen Lymphknoten entfernt. Die Operation wird selbstverständlich in Vollnarkose durchgeführt. Zugang zur Schilddrüse verschafft man sich durch den Kragenschnitt nach Kocher (Berner Chirurg (1841-1917), welcher aufgrund seiner Leistungen auf dem Gebiet der Schilddrüsenerkrankungen 1909 den Nobelpreis für Medizin erhielt (Abbildung 5)). Nach Separation der geraden Halsmuskeln kann die Schilddrüse in der richtigen Schicht (Spatium chirurgicum der Quervain) relativ blutungsfrei stumpf freipräpariert werden. Als nächster Schritt wird der Stimmbandnerv (N. recurrens laryngeus) aufgesucht, damit dieser sehr nahe an der hinteren Schildrüsenkapsel verlaufende wichtige Nerv im weiteren Verlauf der Operation sicher geschont und erhalten werden kann (siehe Abbildung 6). Zur sicheren Identifikation des Nerven kann dieser während der Operation mit Hilfe eines Neuromonitoring-Gerätes über ein akustisches Signal geprüft werden. Ebenso ist es wichtig, die Nebenschilddrüsenkörperchen, welche in enger Beziehung zur seitlichen Schilddrüsenkapsel stehen, zu erhalten. Bei der weiteren Präparation wird dann der Schilddrüsenlappen von der Vorderseite der Luftröhre abpräpariert und entfernt (siehe Abbildung 7). Nach Blutungskontrolle und Einlage eines Blutungsdrains wird die Wunde schichtweise wieder verschlossen. Normalerweise beträgt die Hospitalisationszeit 3 Tage. Der Hautfaden wird bereits am 3. Tag nach der Operation entfernt. Damit die Narbe am Hals schön verheilt, sollte diese mindestens über 6 Monate vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden. Welche Komplikationen können auftreten? Mit operativ bedingten Komplikationen ist in etwa 2-5% der Schilddrüseneingriffe zu rechnen. Eine revisionsbedürftige Nachblutung tritt meistens innerhalb der ersten Stunden nach dem Eingriff in Erscheinung und erfordert in der Regel die sofortige Reoperation zur Blutstillung. Die Verletzung des Stimmbandnerves kann eine Heiserkeit der Stimme zur Folge haben. Eine postoperative Heiserkeit tritt bei ca. 3-5% der Patienten auf, wobei sich diese in den meisten Fällen rasch erholt und durch Zug oder Hackendruck während der Operation zu erklären ist. In 0,2-3% der Fälle kann die Heiserkeit jedoch über längere Zeit bestehen bleiben, was für eine permanente Schädigung des Nerven spricht. In dieser Situation kann eine logopädische Stimmtherapie für die Stimmrehabilitation eingeleitet werden. Durch die Schilddrüsenoperation kann auch eine Unterfunktion der Nebenschilddrüsenkörperchen ausgelöst werden, welche sich durch Kribbelparästhesien an den Fingern oder muskuläre Krämpfe bedingt durch einen Kalziummangel äussert. Auch dieser Zustand ist in den meisten Fällen vorübergehend und kann mit einer kurzfristigen Kalzium-Medikation behoben werden. Eine permanente Unterfunktion der Nebenschilddrüsen bleibt bei weniger als 1% der Patienten bestehen und macht dann eine Dauermedikation mit Kalzium und Vit. D3 nötig. Nachbetreuung nach Schilddrüsenoperation Je nach Menge des entfernten Schilddrüsengewebes (Hemithyreoidektomie vs. Totale Thyreoidektomie) ist nach Erhalt der definitiven Histologie mit Ausschluss eines Karzinoms eine Ersatztherapie mit Schilddrüsenhormonen vorzunehmen, wobei die Dosierung des Medikamentes nach 4-6 Wochen durch einen Bluttest kontrolliert und angepasst wird. Ist die gesamte Schilddrüse entfernt worden, muss diese Hormon-Ersatztherapie lebenslang weitergeführt werden. Wurde ein Karzinom der Schilddrüse entfernt, wird man 3-4 Wochen nach der Operation eine Szintigraphie durchführen, um allenfalls eine zusätzliche postoperative Radiojodtherapie bei Nachweis von Tumorrestzellen durchführen zu können. |